"Museen sind auf Medienkunst nicht vorbereitet"
Medienkunst fristet immer noch ein Nischendasein – sie ist selten in Kunstmuseen präsent, noch seltener wird sie archiviert. Das sei demokratiepolitisch ein erhebliches Problem, sagt der Kunsthistoriker und Medientheoretiker Oliver Grau. Denn Medienkunst reflektiere die Themen unserer Zeit.
Digitale Kunst gibt es seit etwa 50 Jahren. "Mittlerweile haben wir 150 Festivals, die nur auf Medienkunst spezialisiert sind, auf 250 Biennalen spielt sie eine untergeordnete Rolle – es sind Tausende von Werken, die da entstanden sind und weltweit ausgestellt worden sind", meint Kunsthistoriker und Medientheoretiker Oliver Grau. Diese Fülle an Werken sei kaum in Museen zu sehen, werde selten archiviert. Die Situation der Medienkunst sei insgesamt prekär. "Man kann als Faustregel sagen: Was älter als zehn Jahr ist, ist in der Regel nicht mehr zeigbar, nicht mehr aufführbar."
Kuratoren überfordert mit neuen Kunstformen
Nur wenige Ausnahmen bestätigten diese Regel – wie etwa die Kulturinstitution ZKM, das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe, das digitale Werke auf seiner Homepage verzeichnet habe. "Das bedeutet eigentlich, dass wir einen ganz großen Ikonoklasmus haben – unbeabsichtigt, gewissermaßen als Systemversagen", sagt Grau. Die Medienkunst habe sich in den letzten Jahren schnell entwickelt. "Die Museum- und Archivwelt war nicht darauf vorbereitet." Die Kuratoren seien nicht für die neuen Kunstformen ausgebildet worden.
Auf der einen Seite gebe es die lebendige Festivalwelt, andererseits werde diese Kunst nicht in die Museen gelassen. "Das ist demokratiepolitisch ein erhebliches Problem. Man kann empirisch nachweisen, dass die Medienkunst diese großen Themencluster unserer Zeit – wie Klima, Überwachung, Biorevolution, Bildrevolution etc. – das sind ja die Themen der Medienkunst", sagt Grau.
Wo bleibt die Demokratie in der Kultur
Wenn diese Werke nicht in die steuerfinanzierten, öffentlichen Häuser gelangen könnten, sei das eine "gewisse Ironie des Schicksals": "Dass wir auf der einen Seite von der NSA gewissermaßen so perfekt überwacht sind wie noch nie zuvor in unserer Geschichte und auf der anderen Seite aber nicht die Möglichkeit haben, anhand der digitalen Kulturen unserer Zeit in den von uns finanzierten Ausstellungshäusern und Museen darüber zu reflektieren." Wenn die "steuerfinanzierten Gedächtnisinstitutionen" nicht aktiv werden sollten, "dann bekommen wir immer mehr einen Kulturbegriff, der von Oligarchen wie Facebook, Google und Apple entwickelt, gesteuert und unterstützt wird – und das ist nicht mehr die Kultur einer Demokratie".